Die Irrtümer der Gegner der Konzernverantwortungsinitiative

Der Abstimmungskampf rund um die Konzernverantwortungsinitiative nimmt langsam Fahrt auf. Immer öfters gelangen deshalb auch Anfragen von Spenderinnen und Spendern an uns, welche gerne einen Positionsbezug Horyzons zu den einzelnen Argumenten hätten. Nachfolgend haben wir unsere Einschätzung zu den Argumenten¹ der Gegner der KVI formuliert.

Behauptung 1:

«Rund ¾ aller Schweizer Unternehmen sind international vernetzt und unterstützen die Prosperität ihrer Partnerländer wesentlich. Gerade in Entwicklungsländern schaffen sie Arbeitsplätze und etablieren unsere hochklassige Lehrlingsausbildung. Angesichts der neuen Haftungsrisiken der Konzernverantwortungsinitiative (KVI) werden sie sich zurückzuziehen. Springen Multinationale aus China, Russland oder USA in diese Lücke, leiden unvermeidlich Menschenrechte und Umweltschutz.»

Einschätzung Horyzon:

Wir anerkennen, dass ein Grossteil der Schweizer Unternehmen international sehr verantwortungsvoll tätig ist und so zur Prosperität der Entwicklungsländer beiträgt. Dennoch ist festzuhalten: Die Initiative schränkt die Geschäftstätigkeiten nicht ein. Die Initiative beruht auf den üblichen Regeln des Schweizer Prozessrechts: keine Sammelklagen, kein überrissener Schadenersatz und wer verliert, trägt die Kosten. Schweizer Zivilgerichte sind bei Schadenersatzforderungen zurückhaltend und fordern von den Klagenden viel, d.h. die Haftungsrisiken sind nicht per se höher und beim Nachweis der nötigen Sorgfalt nicht vorhanden.

Wer einen Schaden aus einer Menschenrechtsverletzung geltend macht, muss zuerst beweisen, dass a) ein Schaden vorliegt, b) ein Kausalzusammenhang zu den Geschäftstätigkeiten des Konzerns besteht, c) der Schaden widerrechtlich, d.h. unter Verletzung der Menschenrechte, entstand und d) der Konzern in der Schweiz Kontrolle über das betreffende Unternehmen ausübt. Falls das Schweizer Zivilgericht all diese Punkte bejaht, hat der Konzern immer noch die Möglichkeit sich zu entlasten, indem er aufzeigt, dass er die nötige Sorgfalt walten liess. (2)

Behauptung 2:

«Wir foutieren uns um das Recht in anderen Ländern und postulieren selbstherrlich Vorrang für Schweizer Recht und Gerichte. Doch Kleinbauern und lokale Gewerbetreibende in Risikoländern kämpfen um ihre Existenz, nicht um das Einhalten von Schweizer Standards. Nach einem Ja zur KVI werden sich risikobewusste hiesige Unternehmen hüten, in Armutsländer zu investieren – zum Schaden der Menschen dort.»

Einschätzung Horyzon:

Dieses Argument ist genau dasselbe, wie oben bereits vorgebracht. Es wird damit argumentiert, dass die Haftungsrisiken neuerdings ausserordentlich hoch werden und somit eine Geschäftstätigkeit in Entwicklungsländern verunmöglichen – zuungunsten der Entwicklungsländer.

Diese Haftungsrisiken sind aber bei Annahme der Initiative nicht wesentlich höher, da die Beweislast und das Kostenrisiko noch immer bei der klagenden Person liegen. Zudem kann die Haftung bei der nötigen nachgewiesen Sorgfalt abgewiesen werden und die Haftung ist nur dort möglich, wo der Konzern auch die Kontrolle darüber hat, wie vor Ort gearbeitet wird. Zudem ist es gerade im ureigenen unternehmerischen Interesse und in jenem der Entwicklungsländer, dass jene Unternehmen, die sich verantwortungsvoll in Entwicklungsländern engagieren, dieselben rechtlichen Ausgangsbedingungen haben, wie jene, die sich um Menschenrechte foutieren und sich so ohne Haftung einen Wettbewerbsvorteil verschaffen können – zu ungunsten der Entwicklungsländer.

Des Weiteren ist die Regulierung in vielen europäischen Ländern wie beispielsweise Frankreich oder Grossbritannien bereits sehr viel strenger als der heutige Schweizer Status quo. (3) Die Schweiz, ausgerechnet jenes Land, in welchem die Genfer Konventionen unterzeichnet wurden, wäre somit lediglich ein Nachzügler.

Behauptung 3:

«Mit der KVI verhöhnen wir unsere eigene Entwicklungshilfe. Mit zahlreichen staatlich finanzierten Entwicklungsprojekten unterstützen wir derzeit lokale Produzenten in armen Ländern. Mit der KVI würden wir gleichzeitig deren Chance auf den lebensnotwendigen Handel mit der Schweiz kappen – was absurd wäre.»

Einschätzung Horyzon:

Es wäre gerade eine Verhöhnung der Entwicklungszusammenarbeit, wenn wir mit zahlreichen Entwicklungsprojekten die Menschenrechte, Gesundheit und Bildung vor Ort fördern, während multinationale Unternehmen mit Sitz in der Schweiz diese mit Füssen treten. Eine mit der Entwicklungszusammenarbeit kohärente Schweizer Aussenpolitik setzt sich auch für die Einhaltung der Menschenrechte in der Wirtschaft ein.

Behauptung 4:

«Wir strafen die Schweizer KMU, denn der Initiativtext nimmt diese nicht aus. Grosskonzerne werden kaum betroffen sein. Mit ihren Anwälten und Risikomanagern weltweit passen sie ihre Lieferketten kurzerhand an. Nicht so Schweizer KMU; ihnen fehlen die Ressourcen und Beziehungen. Also ziehen sie sich zurück.»

Einschätzung Horyzon:

Die Initiative kommt bei rund 1500 Konzernen zur Anwendung. Für kleine und mittlere Unternehmen sieht sie explizit eine Ausnahme vor: KMU sind nicht betroffen, ausser sie sind in Hochrisiko-Sektoren tätig (z.B. Gold- oder Diamantenhandel):

«...bei der Regelung der Sorgfaltsprüfungspflicht nimmt der Gesetzgeber Rücksicht auf die Bedürfnisse kleiner und mittlerer Unternehmen, die geringe derartige Risiken aufweisen;
Die Initiative nimmt also nur diejenigen Unternehmen in die Pflicht, deren Geschäft Risiken für Menschenrechte und die Umwelt im Ausland aufweist. (4, 5)

Behauptung 5:

«Wir sollten tatsächlich helfen und die KVI mit einem lauten NEIN ablehnen. Und wir sollten aufhören, die Welt vom hohen Ross des Weltpolizisten herab zu regieren.»

Einschätzung Horyzon:

Hier schwingt der Vorwurf des Rechtsimperialismus mit. Dieser ist jedoch fehl am Platz. Erstens handelt es sich bei der von der Initiative geforderten Menschenrechts- und Umweltstandards um international anerkannte Richtlinien und Minimalstandards. Zweitens würden mit der KVI ausnahmslos Schweizer Firmen und keine ausländischen Unternehmen in die Pflicht genommen. Dass eine Haftung auch für Geschäfte im Ausland gelten soll ist in anderen Rechtsbereichen wie der Korruptionsbekämpfung bereits Praxis. Die Schweiz wäre gerade das Gegenteil eines Weltpolizisten, in dem sie nämlich auch der Bevölkerung in Entwicklungsländern die Möglichkeit gibt, sich gegen erlittenes Unrecht zu wehren. (6)

¹Die Formulierung der Behauptungen haben wir von der Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter übernommen. (Quelle 1)

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