Horyzon Statement zur Lage in Kolumbien und Palästina

Zuerst die Coronakrise und nun auch noch die Eskalation auf politischer Ebene. Gleich zwei der Projektländer von Horyzon befinden sich momentan im Ausnahmezustand.

In Kolumbien toben seit über 2 Wochen Proteste gegen die Regierung von Präsident Duque und in Israel/Palästina droht die Gefahr eines erneuten Kriegsausbruches. Mit diesem Beitrag informieren wir über die Lage in unseren Projekten und nehmen Stellung zu den Ereignissen vor Ort.

Um mehr über die Situation im Land zu erfahren und was Horyzon dabei tut, klicken Sie auf das entsprechende Land und lassen Sie den Text ausklappen. 

Kolumbien

Kolumbien – Wo bleibt der lang ersehnte Frieden?

Seit über 2 Wochen befindet sich Kolumbien im nationalen Streikzustand. Tausende von Personen demonstrieren täglich gegen die Politik von Präsident Ivan Duque, welcher die wirtschaftlichen Einbussen der Coronakrise mit einer Steuererhöhung kompensieren möchte, welche vor allem die Ärmsten des Landes betrifft. Während der Pandemie rutschten jedoch Millionen von Kolumbianerinnen und Kolumbianer der unteren Mittelschicht in die Armut ab, wodurch sich die Ungleichheitsschere noch weiter öffnete. Bereits vor Ausbruch der Covid Pandemie protestierten hunderttausende Personen gegen die Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpolitik der kolumbianischen Regierung. Der Covid-19 Gesundheitsnotstand und die strikten Lockdown- und Quarantänemassnahmen bereiteten den Protesten dann aber ein rasches Ende. Umso härter geht die Regierung nun gegen die mehrheitlich friedlich Protestierenden los. 41 Personen wurden dabei bereits von Sicherheitskräften getötet, hunderte wurden festgenommen. In den sozialen Medien kursieren schockierende Videos, welche zeigen, mit welcher unverhältnissmässiger Härte die Regierung gegen die Demonstrierenden vorgeht. Das Recht auf freie Meinungsäusserung wird an vielen Orten nicht eingehalten.

Wie geht es unseren Partnern vor Ort?

In Cali, dem Epizentrum der Proteste, ist die Lage besorgniserregend. In den vergangenen Tagen kam es vermehrt zu Zusammenstössen zwischen staatlichen Sicherheitskräften und Demonstrierenden. Gewisse Viertel wurden von der Polizei vollkommen abgeriegelt und inzwischen herrscht ein Mangel an Lebensmitteln. Unser Projektkoordinator vor Ort zeigt sich bestürzt: „Unser eigener Staat hat sich gegen uns gewandt.“

Viele der Jugendlichen aus dem Projekt Paza la Paz engagieren sich im nationalen Streik. Schliesslich geht es um genau die Themen, welche den Kern des Projektes ausmachen: Sich gegen Ungleichheiten aussprechen, als Teil der Zivilgesellschaft politisch aktiv zu sein, sich für die Einhaltung der Menschenrechte einzusetzen, einen Beitrag leisten zur Transformation der kolumbianischen Gesellschaft. Die Jugendlichen werden dabei nahe von den Projektmitarbeitenden vor Ort begleitet. Die Projektleiterin aus Quindío beschreibt mir den Prozess so: „Zuerst machen wir mit den Jugendlichen eine historische Kontextualisierung der aktuellen Geschehnisse. Die Jugendlichen sollen verstehen, weshalb es in unserem Land zu dieser politischen Spaltung kam und weshalb solche Ungleichheiten herrschen. Das wühlt natürlich auf, deswegen sind die Emotionen unter den Jugendlichen momentan sehr stark. Dies versuchen wir abzufangen mit einer nahen emotionalen Begleitung und der Schaffung von Räumen, in welchen sich die Jugendlichen untereinander austauschen können. Wichtig ist dabei auch, dass wir Werte wie Versöhnung und Gewaltlosigkeit propagieren. Als nächsten Schritt informieren wir die Jugendlichen über ihre Rechte, wie beispielsweise das Recht auf freie Meinungsäusserung und wir entwickeln gemeinsam Ideen, wie sich die Jugendlichen effektiv und sicher an den Protesten beteiligen können.“ Für die Volljährigen, welche auf die Strasse gehen dürfen um zu protestieren, wurden Sicherheitsprotokolle entwickelt. Über Whatsapp melden sie den Koordinatoren, wann sie aus dem Haus gehen und wann sie wieder Zuhause sind. Entlang der Protestrouten wurden sichere Häuser definiert, in welchen die Jugendlichen Unterschlupf finden können, falls sich die Lage zuspitzt. Die Jugendlichen tragen Notfallkarten auf sich, welche die Blutgruppe anzeigen, falls es zu Verletzungen kommt. Mit den noch nicht volljährigen Jugendlichen werden Aktivitäten im geschützten Rahmen durchgeführt, wie beispielsweise in Medellín, wo eine Mahnwache zum Thema „Ein Licht für den Respekt vor dem Leben“ gehalten wurde. 

Während einer Jugendaktion in Bogotá kam es zu einer Versöhnungsbegegnung: Als Jugendliche von Paza la Paz ein über 10 Meter langes Graffiti malten, welches sich gegen die unverhältnismäs-sige Gewaltanwendung der Polizei gegenüber Demonstranten aussprach, kam das Militär dazu. Statt der erwarteten Konfrontation kam es zum Dialog zwischen den beiden Gruppen.

Was tut Horyzon?

Horyzon hat als Mitglied der Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien (ask!) einen Brief an Bundesrat Ig-nazio Cassis geschrieben. In diesem Brief fordern wir Herrn Cassis dazu auf, die kolumbianische Regierung dazu anzuhalten, die Menschenrechte einzuhalten und den gemeldeten Fällen von poli-zeilichem Machtmissbrauch nachzugehen.

Zudem unterstützen wir unseren Partner YMCA Kolumbien in ihrem Manifest für das Leben und den Dialog, in welchem dazu aufgerufen wird, die Jugendlichen in Kolumbien in der Einforderung ihrer Rechte zu unterstützen. Das Manifest kannst du hier lesen.

Palästina

Palästina – Droht ein erneuter Krieg zwischen Israel und Palästina?

Zwischen Israel und Palästina herrschen seit Wochen Spannungen. Die Gründe dazu sind vielfältig: Die Coronakrise strapaziert die Beziehungen zwischen Israel und Palästina aufs Äusserste. Während in Israel bereits ein Grossteil der Bevölkerung geimpft ist, geht die palästinensische Bevölkerung praktisch leer aus. Als Besatzungsmacht wäre Israel jedoch gemäss Vierter Genfer Konvention verpflichtet, der Bevölkerung des besetzten Gebietes gleichen Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen zu gewähren. Jedoch trägt auch die palästinensische Autonomiebehörde zur zunehmenden politischen Fragilität bei. Die versprochenen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen, welche für Mai angesagt waren, wurden von Präsident Mahmud Abbas, dessen offizielle Regierungszeit eigentlich 2009 geendet hätte, unter schwachen Vorwänden auf unbestimmte Zeit verschoben. Tatsache ist, dass Abbas wohl einsah, dass eine Wiederwahl seiner selbst unwahrscheinlich ist. Für die palästinensische Bevölkerung stellt die Absage der Wahlen ein weiterer Einschnitt in ihr Recht auf Selbstbestimmung und ein Schlag gegen die Demokratie dar.

Während des Fastenmonats Ramadan kam es in Jerusalem wiederholt zu Ausschreitungen zwi-schen israelischen Sicherheitskräften und Palästinenser*innen. Die Eskalationen begannen in Ost-jerusalem mit der drohenden Räumung von vier palästinensischen Familien aus ihren Häusern im palästinensischen Viertel Sheikh Jarrah. Die israelischen Streitkräfte reagierten äusserst gewalt-sam gegenüber den palästinensischen Demonstranten, welche gegen die Zwangsräumung von Sheikh Jarrah protestierten. Es gab hunderte von Verletzten und Dutzende von Palästinenser*innen wurden verhaftet.

Der exzessive Einsatz von Gewalt gegen die palästinensischen Demonstranten hat dazu beigetra-gen, dass bewaffnete Gruppen aus dem Gazastreifen Raketen gegen Israel abfeuerten. Als Reak-tion darauf griff das israelische Militär massiv Ziele in Gaza an. Dabei kam es unter anderem zum Zusammensturz eines Hochhauses, in dem sich zahlreiche Zivilisten befanden. Auf palästinensi-scher Seite sind 213 Todesopfer zu verzeichnen, darunter 62 Kinder. Mehrere hundert Menschen wurden verletzt. Auf israelischer Seite sind 6 Menschen getötet worden und über 200 weitere verletzt. (Stand: 19. Mai. 2021)

Wie geht es unseren Partnern vor Ort?

Die Standorte unserer Partnerorganisationen und Projekte sind von den Luftangriffen im Moment nicht betroffen. Trotzdem ist die Anspannung unter den Projektmitarbeitenden vor Ort hoch. Auch die Coronapandemie führte zu psychischen und physischen Problemen. Viele Projektmitarbeitende hatten sich in den letzten Monaten mit dem Virus infiziert. Zum Glück sind alle wieder genesen bis heute und nur wenige leiden unter den Folgen von Long-Covid. Die Therapeutinnen und Therapeuten des Wiedereingliederungsprogrammes des YMCA Ostjerusalem leisten psychologische Betreuung für Opfer von Gewalt durch das israelische Militär.

Was tut Horyzon?

Die Luftangriffe zwischen bewaffneten Gruppen in Gaza und dem israelischen Militär hatten den Tod unschuldiger Menschen zur Folge. Horyzon ruft deshalb alle Parteien zum sofortigen Ende der Gewalt gegen Zivilisten auf und zur Einhaltung des humanitären Völkerrechts. Wir plädieren für einen konstruktiven Dialog, um eine sofortige und friedliche Lösung des Konfliktes herbeizuführen. Durch das Projekt „Joint Advocacy Initiative“ von YWCA Palästina und YMCA Ostjerusalem fördert Horyzon die Jugend Palästinas in Methoden des gewaltlosen Widerstandes.

Die drohenden Zwangsräumungen im Ostjerusalemer Viertel Sheikh Jarrah verletzen das internationale Völkerrecht. Die UNO ruft Israel dazu auf, sofort alle Zwangsräumungen abzusagen. Ostjerusalem sei Teil des besetzten palästinensischen Gebiets, in dem das humanitäre Völkerrecht gilt, erklärte der Sprecher des UN-Rechtsbüros, Rupert Colville. "Die Besatzungsmacht kann kein Privateigentum in besetztem Gebiet konfiszieren."

Horyzon schliesst sich dem Aufruf der UNO an und fordert ein Ende der Zwangsräumungen in Sheikh Jarrah und der damit verbundenen Menschenrechtsverletzungen und Gewalt.

Horyzon unterstützt zudem die Aufrufe von YWCA Palestine, World YWCA und World YMCA zur Beendung der Besatzung in Palästina. Zudem fordern wir einen gerechten Zugang zu Impfstoffen für die palästinensische Bevölkerung. Die Covid-19 Impfung soll allen Menschen frei und gleichermassen zu Verfügung gestellt werden und nicht als politisches Druckmittel verwendet werden.

 

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